Gröblinger Kapelle
Warendorf vor 300 Jahren!
Eine Stadt am Ufer der Ems mit Ackerbürgern und Gewerbetreibenden, deren Häuser sich im Kern des Ortes um die beiden Kirchen St. Laurentius und St. Marien gruppieren. Um den Markplatz erheben bereits stattliche Bürgerhäuser, und im Rathaus entscheiden die Stadtväter, angesehene Patrizier aus alten Geschlechtern, über wohl und Wehe ihrer Mitbürger. Von Süden nach Norden und von Osten ach Westen führen Handelsstraßen durch die Stadt zu den jeweiligen Toren hinaus. Am bedeutendsten ist wohl die Fernhandelsstraße, die vom Hellweg im Süden über Warendorf und Osnabrück zu den großen Handelsplätzen an Nord- und Ostsee führt, die Osnabrücker Landstraße. Am Emstor verlässt sie die Stadt, die von Wall und Graben umgeben ist, führt als breiter Sandweg in die Bauerschaft Gropilingi, später Gröppeln, heute Gröblingen genannt. Doch zunächst durchläuft sie die Stadtmark, die mit einem breiten Doppelwallgraben, dem sogenannten Stadthagen, umgeben ist. Diese Stadtmark umsäumt die ganze Stadt, ist unbewaldet und besteht aus Ackerflächen und Viehweiden. In den stadtnäheren Zonen befindet sich Gartengelände, so dass fast jede Warendorfer Bürgerfamilie einen Garten im Stadtfeld besitzt als unverzichtbare Existenzgrundlage. In der Stadtmark wachsen auf den Feldern Roggen, Buchweizen und Hafer, Flachs und Hanf. So ist es auch in den Bauerschaften, und zwischen Stadt und Land herrscht ein lebhafter Warenaustausch. Warendorf ist ein bekannter Marktort.
Flachs und Hanf, die Gespinstpflanzen, durchlaufen einen langwierigen Prozess, bis sie endlich auf dem Spinnrad gesponnen und auf dem Webstuhl zu Leinen verarbeitet werden. In fast allen Wohnstuben in der Stadt und auf dem Land surren die Spinnräder, und aus vielen Häusern schallt das Klappern der Webstühle. Die fertige Leinwand wird gebleicht, aufgerollt und kommt entweder in den Aussteuerkoffer oder zum Leinenhändler.
Ein solcher Leinenhändler ist Heinrich Kleine, der an der Oststraße (jetzt Schnellsche Buchhandlung) wohnt. Er ist der Sohn eines Warendorfer Leinentuchmachers und wurde im Jahre 1630 geboren. Er heiratet die Tochter Gertrud des wohlhabenden Bäckermeisters Zurstraßen, der als sogenannter „Kommissbäcker“ in Warendorf zwar reich, aber – weil er das Monopol ,für Heereslieferungen hat – nicht gerade sehr beliebt ist. Die „reiche Partie“ verschafft Heinrich Kleine die Möglichkeit, einen Leinenhandel zu eröffnen, mit dem er bald ein wohlhabender Mann wird. Er leiht sogar dem Bischof von Münster Geld und erhält dafür den Titel eines fürstbischöflichen Hof-Faktors. Seinen Einfluss benutzt er vor allem auch dazu, den Leinentuchmachern den Einzug in den rat der Stadt zu ermöglichen. Er selbst wird zweimal kurz hintereinander Bürgermeister.
Die Entstehung der Gröblinger Kapelle
Dieser Leinehändler Heinrich Kleine befindet sich eines Tages auf der Osnabrücker Landstraße auf dem Heimweg nach Warendorf. Mit Planwagen, von kräftigen Pferden gezogen, hatte er viele Ballen Leinen nach Osnabrück, ja sogar nach Bremen und Hamburg verkauft. Er selbst war auf einem schnellen Pferd hinterher geritten, um das Geld einzuholen. Viele Gold- und Silberstücke befinden sich nun in der Geldkatze (Geldbeutel), die am Sattelknauf befestigt ist. Er gibt dem Pferd die Sporen, um schneller daheim zu sein. Bald hat er sein Ziel erreicht und muss bestürzt feststellen, dass der Geldbeutel fehlt. Er muss ihn unterwegs verloren haben. Er denkt an die vielen Leinentuchmacher, die ihm ihre Ware anvertraut haben, und denen er das Geld schuldet. Wie soll es weitergehen? In seiner Not macht er das Gelübde, an der stelle wo er das Geld finden wird, eine Kapelle zu Ehren des sterbenden Jesus und er schmerzhaften Mutter Gottes Maria zu errichten. Er reitet sofort zurück und findet die Geldkatze unversehrt in der Bauerschaft Gröblingen an der Osnabrücker Landstraße, wo sie die Brinkstraße genannt wird. Voll Freude eilt er zurück, um seiner Frau von dem glücklichen Fund und von dem Gelübde zu berichten.
15. August 1688! An der Brinkstraße in Gröblingen haben die Eheleute Kleine in Erfüllung ihre Gelübdes eine sehr schöne Rundkapelle errichten lassen. Das achteckige Kuppeldach, mit Schiefer gedeckt, wird von einer Laterne gekrönt, die in einer feinen Spitze ausläuft. Ein Vordach, von zwei Säulen getragen, schützt den Eingang.
Auf dem Dachfirst leuchtet eine kleine Madonna in der Sonne, und darüber liest man: „ Zur höchsten Ehre des sterbenden Jesus und der schmerzhaften Mutter Gottes Maria. Heinrich Kleine und Gertrud Zustraßen haben dieses Gotteshäuslein in dem 33.Jahr ihres Ehestandes auferbauen lassen. Höchst danksagende, das die Mutter Jesu dieselben in ihrem Kreuz und Leiden hat ihrer Fürbitt viel Gnaden bei Gott erhalten und noch ferner erhalten wolle. Anno 1688, den 15. August. Heilige Mutter Gottes, bitte für uns.“
Der barocke Altar in der Kapelle zeigt das Sterben Mariens. In tiefer Trauer umstehen die Apostel das Lager der Gottesmutter, um Abschied zu nehmen. An einer Seitenwand der Kapelle befindet sich Pieta, gegenüber der Statue Johannes des Täufers, der auf das Lamm Gottes zeigt. Geschnitzte Eichenbänke laden den Besucher zum Gebet ein.
An diesem Morgen des 15, August 1688 haben sich die Familien Kleine und Zustraßen mit ihren Verwandten und Freunden an der neu errichteten Kapelle eingefunden. Pfarrer Neuhaus, der von 1675 bis 1714 der Pfarre St. Laurentius vorsteht, erteilt dem kleinen Gotteshaus den kirchlichen Segen. Für ihn ist die Errichtung dieser Kapelle ein Zeichen, dass der katholische Glaube in Warendorf wieder erstarkt. Die Stadt hatte unter den Wirren der Reformation und des dreißigjährigen Krieges sehr gelitten.
Auf den Altar der kleinen Kapelle stellt Heinrich Kleine ein einfaches Kreuz aus Eichenholz mit einem Korpus aus Zinn. Mit diesem Kreuz hat es eine besondere Bewandtnis. Es wurde am Kreuzfindungstage 1659 bei Gelegenheit eines Umbaues im Hofe hinter dem Hause Kleine zwei Klafter tief in der Erde gefunden. Die Auffindung dieses Kreuzes an diesem Tage und in dieser Tiefe erschien den Eheleuten als eine wunderbare Begebenheit. Sie brachten es in ein besonderes Zimmer, verrichteten davor ihre Andachtsübungen und Gebete und erfuhren manche wunderbare Gebetserhörung. Nun soll dieses verehrungswürdige Kreuz Zuflucht für viele Beter sein, und die Kapelle wird so auch zur „Kreuzkapelle“.
Aus der Geschichte der Gröblinger Kapelle
Die Eheleute Kleine sind kinderlos, und so reift in ihnen der Gedanke, für die Einrichtung eines fortlaufenden Gottes Dienstes in der Kapelle eine Vikarie zu begründen. Sie soll unter dem Titel „der allerseligsten Jungfrau Maria und des hl. Joseph“ errichtet werden.
Da stirbt im Jahre 1690 Frau Gertrud Kleine, geb. Zustraßen. Sie wird in der Gröblinger Kapelle beigesetzt.
Der Gedanke an die Errichtung einer Vikarie ist aber nicht erloschen. In einem Testament aus dem Jahre 1694, im Ehevertrag mit seiner zweiten Frau Anna Maria Ulcken, der im Jahre 1699 am 7. September zustande kommt, und einem Nachtrag vom 5. März 1700 werden alle Einzelheiten festgelegt.
Doch Heinrich Kleine stirbt an 21. August 1700 und findet seine letzte Ruhestätte ebenfalls in der Gröblinger Kapelle.
Die Vikarie kommt erst am 20. November 17 zustande. Ein Stiftungsbrief gibt darüber Auskunft. Darin heißt es u. a. „Der Warendorfer Bürger und Kaufmann Heinrich Kleine hatte den Wunsch, an der von ihm und seiner verstorbenen Frau Gertrud Zustraßen erbauten Kapelle zwischen Warendorf und dem Benediktinerinnenkloster Vinnenberg eine Vikarie oder kirchliche Pfründe zu stiften und dafür hat er testamentarisch ein Kapital von 200 Reichstalern bestimmt,. Das aus schnell greifbaren Mittel genommen werden sollte. Ferner wird festgelegt, dass „so oft in aller Zukunft die Vikarie frei werde, solle sie innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist einem ehrenwerten, geeigneten und tüchtigen Weltgeistlichen aus dem Blute des Stifters oder der vorerwähnten Frauen Zustraßen und Ulcken übertragen werden“.
Außerdem soll der Inhaber der Vikarie in der Laurentius- und Marienpfarre „in den kirchlichen Obliegnheiten helfen“. Die bischöfliche Behörde billigt den bezeichneten Personen das passive Patronatsrecht zu, behält
sich aber das recht der Besetzung wie auch die Entscheidung bei einem Streit unter den Verwandten, wer von zweien oder mehreren geeigneter oder näher verwandt sei, vor. Und zum Schluss heißt es: „Wir wollen aber, dass zur Verbesserung und Erhaltung der Vikarie der jeweilige Inhaber jährlich 4 (vier) Reichstaler zugunsten der Vikarie zurücklegt, sie zur sofortigen Ausleihung auf Jahreszins bereitstellt und auf sichere Hypothek anlegt“ .
Zwei Pläne Heinrich Kleines sind nicht zur Ausführung gekommen, die eng mit der Errichtung der Kapelle und der Gründung der Vikarie zusammenhängen. In der Nähe der Kapelle sollte ein Armenhaus entstehen, in das vier Personen aus der Leinentuchmachergilde aufgenommen werden sollten. Der Plan scheitert am beharrlichen Widerstand der Gröblinger Bauern, die von Kleine nicht wissen wollen. Ist vielleicht der Abstand zwischen dem reichen Leinenhändler und Bürgermeister Kleine und den abhängigen Gröblinger Bauern zu groß? Auch die Gründung einer Kapuzinerniederlassung anstelle des Armenhauses scheitert.
Die Jahre zeihen ins Land. Die erwähnte Vikarie wird von 1715 bis 1885 mit Geistlichen aus der Familie des Stifters und seiner Ehefrauen bestellt. Der letzte Blutsverwandte ist Vikar Kiskemper, der 1885 stirbt.
Reihenfolge der Vikare von 1715 – 1885:
1. Vikar Franz Wilhelm Kock 1715 – 1736
2. Vikar Schürmann 1737 – 1778
3. Vikar Hermann Nikolaus Kock 1782 – 1804
(ließ die Vikarie verwalten)
4. Vikar Rockwers aus Münster 1804 – 1830
(ließ die Vikarie verwalten)
5. Vikar Rolef aus warendorf 1833 – 1869
6. Vikar Franz Joseph Kiskemper 1870 – 1885
aus Warendorf
Die Vikarie bleibt in der folgenden Jahren unbesetzt, da sich kein Verwandter meldet. Ihre Obliegenheiten werden von den Geistlichen der Laurentiuspfarrei wahrgenommen.
Pfarrer Strumann bezieht die Gröblinger Kapelle in das Gemeindeleben mit ein.
Am 26. April 1900 wird Franz Strumann, Bauernsohn aus Herzfeld, Pfarrer von St. Laurentius in Warendorf.
In seine Obhut fällt nun auch die Gröblinger Kapelle. Als Ortsschulinspektor besucht er die einklassige Gröblinger Schule, die zwischen den Gehöften Grove und Heckmann liegt. Pastor Strumann sieht die Kinder, lernt die Familien kennen und beschließt, dass die Kapelle in das Gemeindeleben einbezogen werden soll. Die wöchentliche Messe wird zur Schulmesse mit gemeinschaftlichem Gebet und Gesang umgewandelt.
Pfarrer Strumann denkt und plant weiter. Im Jahre 1903 wird die Vikarie mit der neu gegründeten dritten Kaplanstelle an St. Laurentius vereinigt. Gleichzeitig werden ihre Obliegenheiten mit päpstlicher Bevollmächtigung durch die bischöfliche Behör-de in Münster neu geregelt. Der erste Inhaber dieser Stelle wird Kaplan Lodde aus Münster. Im Jahre 1912 erhält er eine Dienstwohnung, die aus Mitteln der Vikarie beschafft wird. Es ist das am Kletterpohl gelegene Wohnhaus der Bürgers Temme, das angekauft und umgebaut wird (spätere Jugendheim und Pfarrbücherei von St. Laurentius!).
Die Entstehung der neuen Gröblinger Kapelle.
Inzwischen ist der Plan für eine neue geräumige Kapelle in Gröblingen gereift, die unter der Verwaltung von Pfarrer Strumann und Kaplan Lodde errichtet wird.
Es entsteht ein kleines Gotteshaus in einfachen romanischen Formen aus Ennigerloher Bruchsteinen nach Plänen des Provinzial-Konservators Ludorff. Soweit die freiwillig gemachten Zuwendungen nicht reichen, trägt der Vikarfonds die Kosten. Die Bewohner Gröblingens leisten Hand- und Spanndienste.
30. Oktober 1904! Festtag an der Gröblinger Kapelle!
Der Neubau ist fertiggestellt und soll an diesem Tag von Pfarrer Strumann eingeweiht werden. Nach dem feierlichen Akt wird das Gotteshaus für die Gläubigen geöffnet. Voll Freude strömen sie hinein, sehen den hellen Raum und das schöne Altarbild aus der alten Kapelle an der Stirnwand. Auch die Piete und die Figur Johannes des Täufers schmücken das neue Gotteshaus. Ehrfürchtig nehmen sie in der Bänken Platz und verfolgen das Levitenamt, das der Inhaber der Vikarie, Kaplan Lodde, mit Pfarrer Strumann und einem Mitkaplan feiert.
Nach dem Evangelium hält der Pfarrer die Festpredigt. Ausgehend von dem Worte der hl. Schrift: „Herr, in der Einfalt meines Herzens habe ich freudig alles Dir zum Opfer gebracht“, gedenkt er des einmütigen Wetteifers der ganzen Gemeinde Gröblingen, der dieses Gotteshaus geschaffen hat. Er gedenkt auch der edlen Stifter, des Heinrich Kleine und seiner Ehefrau Gertrud Zurstraßen, die die erste Kapelle erbauen ließen und die Vikarie begründeten. Die neue Kapelle aber soll ein Weihegeschenk an den Herrgott sein zur Ehre der unbefleckt empfangenen Gottesmutter. Reicher Segen und viele Gnaden werden fortan von dieser Stätte für die ganze Gemeinde ausgehen. An jedem Mittwoch wird eine hl. Messe sein, und zwölfmal im Jahr soll in der Kapelle Christenlehre gehalten werden. Zum Schluss der Feier singen alle voller Begeisterung das „Großer Gott, wir loben Dich“! Danach versammeln sich die geladenen Gäste in der nahen Wirtschaft Schulenberg zu einem Frühstück. Hier kommen die Freude und Begeisterung über das gelungene Werk und die schöne Feier immer wieder zum Ausdruck.
Kaplan Lodde wird 1905 von Kaplan Lille aus Dorsten abgelöst, der bis 1911 die Seelsorge in Gröblingen versieht. Ihm folgt Kaplan Karl Lehmköster aus Ahaus (1911 – 1924).
Pfarrer Strumann ist in der Folgezeit nicht untätig. Er weiß um den schlechten baulichen Zustand der Gröblinger Schule Die Wohnung ist so feucht, dass keine Lehrerfamilie mehr dort einzieht. Junglehrer versehen den Dienst, die in der Nachbarschaft der Schule jeweils auf den Bauerhöfen wohnen und sich nach der 2. Prüfung versetzen lassen. Am 9.10.1912 wird ein Schulneubau beschlossen, für den Bauer Brüggemann, heute Schulze Osthoff, ein Grundstück gegenüber der Kapelle verkauft.
Ostern 1914 kann die neue einklassige Schule mit 84 Kindern in Betrieb genommen werden, die vom 1.4.1914 an von Lehrer Paul Schwienhorst aus Warendorf geleitet wird. Mit seinem Namen ist ein gutes Stück Gröblinger Schul- und Kapellengeschichte verbunden.
Bemühungen um eine Sonntagsmesse in der Gröblinger Kapelle.
Doch am 1. August 1914 bricht der erste Weltkrieg aus. Er muss auch in der Gemeinde Gröblingen erlebt und erlitten werden. Lehrer Paul Schwienhorst gehört zu den Heimkehrern aus dem Krieg. Immer wieder vernimmt er bei seinen Hausbesuchen, wie schwer den Frauen und Kindern der lange Kirchweg nach Warendorf fällt. Viele alte Leute kommen gar nicht zur Kirche. Da unternimmt er im Auftrag der Gemeinde den Versuch, Pfarre Strumann um die Einrichtung einer Sonntagsmesse in der Gröblinger Kapelle zu bitten. Dieser weist das Ansinnen energisch zurück, lässt sich aber bewegen, am letzten Sonntag im Oktober 1919 in der Schule über das Für und Wider dieser Einrichtung zu sprechen. Hier verspricht er, dem Plan näherzutreten, wenn ein Fonds von 30 000 M für die Einrichtung der Messe gezeichnet würde.
Daraufhin suchen Bauer Heinrich Grove und Lehrer Paul Schwienhorst die Familien auf und können nach einer Woche am 3. November 1919 die Einzeichnungsliste mit dem stolzen Ergebnis von 32 075 M präsentieren. Der Pfarrer ist höchst verwundert, meint aber, es müssten 40 000 M sein. Daraufhin werden noch etwa 7 000 M gezeichnet.
Wenn man heute diese Listen überprüft, stellt man mit Freude fest, wie solidarisch die Gröblinger sich damals verhalten haben. Auch Familien, die näher nach Warendorf oder Sassenberg als zur Kapelle wohnen, haben freigiebig gezeichnet. Selbst die Ostmilter Nachbarn hinter dem Speckengraben zeichneten die Summe von 2 180 M. Dabei ist zu bedenken, dass das Geld damals einen weit höheren Wert hatte als heute.
In der Pfarre ist aber zu der Zeit eine Kaplanstelle unbesetzt, und so wird die Einrichtung der Sonntagsmesse hinausgeschoben.
Im Frühjahr 1920 stirbt Pfarrer Strumann, von seiner Gemeinde tief betrauert. Sein Nachfolger, Pfarrer Mönchmeier, steht dem sehnlichen Wunsch der Gröblinger wohlwollend gegenüber. Die gezeichneten Gelder werden in Gröblingen und Ostmilte eingeholt (von Pfarrer Mönchmeier, Kaplan Lehmkötter, Bauer Hecker und Bauer Micke) und zinslos angelegt.
Als im Herbst 1922 die dritte Kaplanstelle neu besetzt wird, machen drei Herren aus Gröblingen beim Generalvikar in Münster einen neuen Versuch. ( 2.12.1922 – Paul Schwienhorst, Hubert Schulze Westhoff und Bernhard Uphoff).
Am Mittwoch, 20.12.1922, verkündigt Kaplan Lehmköster mach der Messe, dass der Bischof zunächst für fünf Jahre die Sonntagsmesse genehmigt hat. An zwölf Feiertagen: Weihnachten, Ostern, Erstkommunion, Pfingsten, Fronleichnam, Patronatsfest, Maria-Himmelfahrt, kirch-weih und Allerheiligen ist in Gröblingen keine hl. Messe.
Die erste Sonntagsmesse in der Gröblinger Kapelle.
Am Sonntag, 24.12.1922, ist um 7 Uhr die erste Sonntagsmesse in der Gröblinger Kapelle. Früh um 6 Uhr wird es in den Häusern der Bauerschaft lebendig. Es leben fast überall Großfamilien. Während eine Partie darauf bedacht ist, dass das Vieh sein Recht erhält, sorgt die Mutter dafür, dass die Kinder aus den Betten kommen und sich für den Kirchgang rüsten. Noch ist keine elektrisches Licht in der Gemeinde, und Petroleumlampen beleuchten das ganze Geschehen. Doch um ½ 7 Uhr sind alle, die zur Kapelle wollen, startbereit: die Mutter mit einem warmen Mantel und großem Pelzkragen, mit Hut und Muff und hohen Schuhen, die Mädchen und Jungen ebenfalls warm eingepackt, denn draußen ist es kalt. Der Schnee leuchtet ein wenig, sodass man den Weg sehen kann. Vorsichtig geht es durch den Garten bis zur Landstraße. Dort ist der Fußweg durch Pfähle vom Fahrweg abgesetzt, und die kleine Gruppe stampft einen Trampelpfad. Bald kommen andere Kirchgänger hinzu. Immer wieder ein fröhliches Grüßen und das Wort: „Wie gut, dass wir jetzt Messe haben!“
Niemand ist ärgerlich über die frühe Stunde. Durch die Fenster der Kapelle dringt spärliches Licht. Die Schuhe werden gesäubert, und dann betritt man das kleine Gotteshaus. Die Kinder haben ihren Platz vorn auf dem Chor, wo rote Kokosläufer liegen; die Frauen und älteren Leute nehmen in der Bänken platz, die Männer stehen hinten in der Kapelle. Lehrer Schwienhorst kommt herein und begibt sich vorne links zum Harmonium. Zwei Petroleumlampen und die Kerzen am Altar und die beiden Statuen der Gottesmutter und des Herzens Jesu geben Licht. Die alte Kapelle dienst als Sakristei. Kaplan Lehmköster ist gekommen und spricht gedämpft mit den Messdienern. Die Tür geht auf, und sie betreten den Raum. An den Stufen des Altares beten Priester und Messdiener im Wechsel lateinisch das Stufengebet. Sie stehen mit dem Rücken zur Gemeinde. Alle Gebete und Lesungen werden in lateinischer Sprache verrichtet. Zwischendurch wendet sich der Priester mit dem Segensspruch „Dominus vobiscum!“ („Der Herr sei mit Euch!“) der Gemeinde zu, und die Messdiener antworten:“ et cum spiritu tuo!“ („Und mit Deinem Geiste!“) – Währenddessen spielt Lehrer Schwienhorst ein Adventlied, und die Versammelten singen froh und kräftig mit.
Dann liest der Priester das Evangelium auch in deutscher Sprache und schließt eine kurze Predigt an. Es folgt, die eigentliche Opfermesse mit Liedern und stillem Gebet. Obwohl es kalt in der Kapelle ist und das Licht nur spärlich scheint, spürt man fast greifbar die verhaltene Freude über diese Sonntagsmesse. So verwundert es nicht, dass sich in den folgenden Jahren eine echte Kapellengemeinde bildet. Zu Ostern 1923 werden in der Sakristei ein Beichtstuhl und in der Kapelle eine Kommunionbank aufgestellt. Der Beichtstuhl stammt aus der Laurentius-Pfarre, der Prospekt der alten Orgel lieferte den Oberbau der Kommunionbank.
Beim Verlassen der Kapelle geht der Blick der Erwachsenen und der Kinder immer wieder zu einer Ehrentafel, die sich in der rechten hinteren Ecke befindet. Darauf sind die Namen der im Kreis 1914-1918 gefallenen und vermissten Gröblinger Soldaten aufgezeichnet. Es sind 16 an der Zahl.
Im Jahre 1923 werden durch die Inflation die Stiftungsgelder von 1919 entwertet, und so verpflichtet sich die Kapellengemeinde, für den Geistlichen Naturalien zu geben.
Restaurierung der Gröblinger Kapelle unter Kaplan Becks.
Im Frühjahr 1924 wird Kaplan Lehmköster versetzt. Sein Nachfolger ist Kaplan Julius Becks, der sich um die Ausmalung und Restaurierung der Kapelle bemüht. Im „Neuen Emsboten“ (1924/329/330 heißt es dazu u. a.:
„Ausgeglichene Farbentöne gestalten das Ganze zu einem stimmungsvollen Raum und können ihre Wirkung nicht verfehlen. Die ganze Ausführung ist romanisch, der Stile der neuen Kapelle angepasst. Besonders reichhaltig ist der Chorbogen mit verschiedenen symbolischen Darstellungen gestaltet.“ – Und zum Schluss: „ Die Malerarbeiten zeugen von Ge-schick und feinem Verständnis des heimischen Kunstgewerbes und machen dem Malergeschäft von Max Austermann in Warendorf alle Ehre.“
Die Gesamtkosten für die Instandsetzung betragen 3 600 M und werden anteilig von den Interessenten aufgebracht. Zur Wiedereröffnung der Kapelle stiftet Bauer Kattenbaum eine Glocke.
Die Naturallieferungen hören auf. Die neu gezeichneten Gelder sollen je zur Hälfte im Mai und November abgeholt werden. Noch etwas wird bei dieser Versammlung besprochen. In den Wintermonaten ist es für den Geistlichen aus Warendorf oft sehr schwierig, bei schlechtem Wetter am frühen Sonntagmorgen die Gröblinger Kapelle zu erreichen. Bisher war es so, dass in solchen Fällen am Samstagabend das Telefon läutete, und ein Besitzer hinter der Hessel machte in aller Herrgottsfrühe am Sonntag Pferd und Kutsche bereit, um den Herrn bei Glatteis oder Schneegestöber zur Kapelle zu bringen. Nun hat Heinrich Jürgens an der Milter Straße ein Taxiunternehmen angefangen, und er soll in Zukunft den Kaplan von November bis März nach Gröblingen bringen. Die Kosten für diese Fahrten werden von der Kapellengemeinde übernommen. Die großen Besitzer zahlen eine ganze Fahrt (5 M), die anderen eine halbe.
Kaplan Becks wird 1927 nach Nottuln versetzt; sein Nachfolger ist Ka-plan Joseph Decking. Unter seiner Regie erhält die Kapelle 1928 Lichtanschluss, und es werden größere Reparaturen durchgeführt, die durch eine Umlage (7 Pf.pro Morgen ) gedeckt werden. Die Gemeinde bewilligt für die Lichtanlage 200 M.
Im Juni 1929 erhält Kaplan Decking seine Versetzung nach Münster.
Kaplan Franz Vehoff wird dritter Kaplan an St. Laurentius und mit der Seelsorge für die Gemeinde Gröblingen betraut.
Er ist besonders eifrig in Hausbesuchen, fühlt sich den Menschen verbunden, sieht ihre Nöte, versucht zu trösten und zu lindern, teilt aber auch ihre Freuden. Mancher Sack Kartoffeln oder Mehl wandert in diesen Jahren hinter die Gartenmauer der Kaplanei an der Quabbe und wird dort von Bedürftigen abgeholt. Für die Kapelle besorgt Kaplan Vehoff einen neuen Ofen, lässt einen Kamin bauen und neue Messgewänder anfertigen.
1934 wird Kaplan Vhoff nach Hamborn versetzt. Doch die Verbindung nach Gröblingen bricht nicht ab. Als er am 2.8.1935 stirbt, erst 50 Jahre alt, und in Duisburg-Hamborn begraben wird, fährt ein großer Bus mit Warendorfer und Gröblinger Trauergästen zu seiner Beerdigung, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Nachfolger von Kaplan Vehoff ist Kaplan Theodor Samson. Während seiner Amtszeit steht das 250-jährige Jubiläum der Kapelle ins Haus, und es werden große Erneuerungsarbeiten durchgeführt. Der gesamt Innenraum wird höher gelegt, ein neuer Altartisch nebst Stufen wird aus Baumberger Sandstein hergestellt, Chor und Gang erhalten Solnhofer Platten, und die Bedielung wird neu. Den Schlusspunkt setzt die Ausmalung der Kapelle. Im August 1938 ist dann die Jubiläumsfeier mit Levitenamt und Predigt. Freiwillige Spenden der Kapellengemeinde und Zuwendungen des Pfarrers haben das Ganze ermöglicht.
Es fällt auf, dass die Notizen über dieses Jubiläum sehr dürftig sind. War man bewusst während der Zeit des Nationalsozialismus so zurückhaltend?
Kaplan Franz Morthorst und die Gröblinger Kapelle.
1938 erhält Kaplan Franz Morthorst die Nachfolge von Kaplan Samson. Er war bis dahin als Vikar in Vechte i. O. tätig. Da er mit der damaligen Regierung in Konflikt geraten ist, muss er nach einer Gefängnishaft Oldenburg verlassen und findet in Warendorf eine neue Wirkungsstätte. Kaplan Morthorst liebt die Gröblinger Kapelle und die Seelsorge in der Bauerschaft Gröblingen ganz besonders. Für ihn ist es eine große Freude, am Mittwochmorgen die Stadt mit dem Fahrrad zu verlassen und den Weg zum Kalvarienberg zu nehmen. Die Straße, die neben der Kiefernallee läuft, ist von Linden gesäumt. Von der Sägemühle an (Strotdresch) begleiten im Frühling blühende Apfelbäume den Weg. An der Brinkstraße, vor der Gastwirtschaft, liegen die Getreidefelder höher, und blühender Ginster bedeckt die Grabenhänge. An der Gaststätte aber ragt ein blühender Kastanienbaum empor. Gegenüber steht unter weit ausladenden Buchen ein altes Wegkreuz. Die Buchengruppe zieht sich weiter zur Kapelle hin und wird abgelöst von jungen Eichen und Akaziengebüsch.
Kaplan Morthorst kehrt nach Kriegsende in den oldenburgischen Teil der Diözese zurück und wird Vikar in Cloppenburg.
Pfarrer i. R. Adolf Beckmann (früher Beelen) lebt von 1928 bis 1941 in Warendorf. Er versieht häufig an den Sonntagen den Gottesdienst in der Gröblinger Kapelle. In seinen Predigten bezieht er ganz klar und eindeutig eine ablehnende Haltung zum Nationalsozialismus.
Während es zweiten Weltkrieges schmieden Sorge und Leid die Besucher der Kapelle immer enger zusammen. Es wird nun an allen Sonn- und Feiertagen die hl. Messe gefeiert, und das kleine Gotteshaus ist stets bis auf den letzten Platz besetzt. Mit großer Anteilnahme vernimmt man die Namen der gefallenen und gedenkt im Gebet der Toten und der schwer geprüften Angehörigen.
Von Dezember 1944 bis Februar 1946 wohnt Rektor Werner Schwegmann aus Münster als Evakuierter in Gröblingen. Er feiert täglich die hl. Messe in der Gröblinger Kapelle, am Sonntag um 7 Uhr eine Frühmesse und um 10 Uhr ein Hochamt.
Zum Weihnachtsfest 1944 erhält die Kapelle einen Tabernakel. Fortan brennt das „Ewige Licht“.
Ostern 1945 sind in allen Häusern der Bauerschaft Evakuierte und Flüchtlinge aus Münster. Man erwartet den Einmarsch der Amerikaner. In der überfüllten Kapelle feiert Studienrat Dr. Burlage aus Warendorf mit den
Gläubigen den Ostergottesdienst. Von ferne hört man das Herannahen von Panzern. Während der Predigt wird plötzlich die Tür aufgerissen. Dr. Burlage verstummt, erschrockene Gesichter wenden sich dem Eingang zu. Dort stehen zwei amerikanische Soldaten in voller Ausrüstung. Es herrscht Grabesstille. Dann wird die Tür von außen wieder geschlossen, und die Predigt geht weiter. Unter den Gottesdienstbesuchern befinden sich auch einige junge Männer, die als Soldaten ambulanten Urlaub haben. Die Mehrzahl der Gläubigen verlässt an diesem Morgen die Kapelle durch die Sakristei und kehrt über die Felder zurück.
Auf dem Schulhof gegenüber der Kapelle sind inzwischen die Fahrzeuge der Amerikaner aufgefahren, und im Schulhaus wird ein Lazarett eingerichtet. Die umliegenden Bauern haben für die Verpflegung der Sieger zu sorgen.
Durch die Vertreibung der Ostpreußen findet auch der Pfarrer i. R. Bruno Groß aus Königsberg 1946 in Gröblingen eine Zuflucht. Er erhält mit seiner Haushälterin Wohnung im Lehrerhaus und ist bis zu seinem Tode am 27.3.1950 Seelsorger der Gemeinde.
Inhaber der 3. Kaplanstelle und damit der Vikarie sind von 1946 bis 1950 Kaplan Franz Reckfort und von 1950 – 1953 Kaplan Anton Hartmann. Beide Herren sind in Gröblingen im Religionsunterricht und vor allem in der Landjugend seelsorglich tätig.
Lehrer Paul Schwienhorst und die Gröblinger Kapelle.
Am 1.4.1952 wird Paul Schwienhorst, der seit dem 1.4.1914 Lehrer in Gröblingen ist, pensioniert.
In den langen Jahren seiner Tätigkeit ist er seit 1919 mit der Kapellengemeinde eng verbunden. Immer stand er mit Rat und Tat zur Seite, nahm an den Verhandlungen teil und führte den Schriftverkehr. Sonntag für Sonntag begleitete er den Gesang der Gemeinde auf dem Harmonium und feierte jeden Mittwoch mit den Kindern die hl. Messe in der Kapelle. Frau Elisabeth Schwienhorst gründete mit der Frauenjugend einen Chor, um besonders an den Festtagen dem Gottesdienst ein wenig Glanz zu verleihen.
Paul Schwinehorst verdanken wir auch die Aufzeichnungen über die Gröblinger Kapelle. Er schließt diese in der Hoffnung, dass der vorbildliche Eifer und der Opfersinn der Gemeinde für die Kapelle nicht erlahmen mögen. Die Kapellengemeinde Gröblingen ist Paul Schwienhorst zu großem Dank verpflichtet.
Die Restaurierung der Kapelle und die Stifterfamilie.
Nachfolger von Paul Schwienhorst wird Karl Weyer, ebenfalls gebürtiger Warendorfer. Er geht der Geschichte der Stifterfamilie nach und setzt sich mit den Nachfahren der Familie Zustraßen in Verbindung. Seinen Bemühungen ist es zu verdanken, dass der Senator Baron Louis Zurstraßen aus Verviers in Belgien die Ruhestätte seines Ahnen, die Gröblinger Kapelle, in hoch-herziger Weise renovieren lässt. Der Vorgang steht unter der Leitung des bekannten belgischen Sippenforschers Dr. Lang, der seiner zeit häufig in Warendorf und Gröblingen weilt.
Über die Umbettung der Gebeine Heinrich Kleines nach 250 Jahren berichtet Pfarrer i. R. Heinrich Freitag u. a. folgendes:“ Die Kapelle in Gröblingen ist die Mitte der Bauerschaft. 1954 sagte mir mein damaliger Pfarrer, Herr Dechant Hast, ein Dr. Lang als Beauftragter des belgischen Senators Baron Zurstraßen habe seinen Besuch angesagt. Der Baron Zustraßen habe den Wunsch, die Grabstätte seines Ahnen in der Gröblinger Kapelle instand zusetzen. Nach einer Besichtigung wurde die Firma Carlè in Warendorf mit der Hebung der Gebeine des Stifters Heinrich Kleine betraut. Als alle Vorbereitungen getroffen waren, ging man an die Arbeit. Man fand zunächst im Boden in entsprechender Tiefe Verfärbungen von Sargnägeln. Als man in die Höhe des vermoderten Sargdeckels kam, arbeitete man sehr vorsichtig mit feinen Besen, Handfegern und Bürsten weiter. Tatsächlich lag dann auch bald das Skelett des Heinrich Kleine vor uns. Bei den Arbeiten war leider eine Urne, die der Verstorbene wohl in den Händen gehalten hatte, zerbrochen.
Nun haben wir die Gebeine gehoben und in einen Zinksarg gelegt, den Dr. Lang hatte anfertigen lassen. Der Schädel des Verstorbenen wurde auf ein einfaches Riegelpodest in der Nähe der Kapelle gesetzt und von allen Seiten fotografiert. Dr. Lang beabsichtigte, die Fotografien an ein Spezialinstitut in Paris weiterzuleiten. Im Gottesdienstraum befand sich nämlich über dem Altar das Bild eines Herrn, in dem man den Stifter Heinrich Kleine vermutete. Man hat mir später berichtet, dass die Untersuchungen diese Vermutung bestätigt hätten.
Wir haben dann recht feierlich die 2. Beerdigung gehalten und den Zinksarg an der alten Stelle wieder in die Erde gesenkt. Baron Zurstraßen ließ später einen für die damalige Zeit recht kostbaren Fußboden in die Grabkapelle seiner Ahnen legen.“
Folgen Urkunde wurde am 28. Januar 1955 im Gröblinger Schulhaus unterzeichnet:
Baron Zurstraßen, Mitglied des Königlich Belgischen Senats, ließ in treuem Gedenken an seine Warendorfer Vorfahren im Jahre 1954/55 die Gröblinger Kapelle restaurieren.
Am 27. Januar 1955 wurden die Gebeine von Heinrich Kleine, Bürgermeister der Stadt Warendorf, Stifter dieser Kapelle und er Vikarie Beate Mariae Virginis et St. Josephi – gestorben am 21. August 1700 - , ausgegraben und neu beigesetzt in Anwesenheit von Dr. Lang (Malmedy) als Vertreter der Familie Zurstraßen, Kaplan Heinrich Freitag als Vertreter der Alten Pfarre St. Laurentius in Warendorf, Angestellter Paul Sternberg als Vertreter des Amtsdirektors Storp in Sassenberg, Gastwirt Wilhelm Venherm als Vertreter des Gemeinderates in Gröblingen, Lehrer Karl Weyer als Vertreter des Kapellenvorstandes in Gröblingen und Oberinspektor Joseph Strickmann als Vertreter des Bürgermeisters Heinermann und des Stadtdirektors Dr. Schnettler in Warendorf.
Das Bild der Gröblinger Kapelle hat sich durch die Restaurierung, die der belgische Senator Baron Louis Zurstraßen veranlasst hat, im Innern sehr verändert. Es war ihm ein Anliegen, die Grabstätte seiner Ahnen in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen. So findet der kostbare Altar wieder seinen Platz in der kleinen Rundkapelle. Die alte Grabplatte wird an der Seitenwand angebracht, gegenüber die Inschrift, die sich über der Tür befand. Die größere Kapelle erhält an der Stirnwand eine altes Wegekreuz, doch verbleiben die Pieta und die Statue Johannes des Täufers auf den Seitenpodesten. Über der Eingangstür wiest ein neues Rundfenster mit dem Wappen der Familie Zurstraßen auf den hochherzigen Spender hin.
Wappen der Familie Zurstraßen in der Rosette der Kapelle
Zehn Jahre nach Ende des 2. Weltkrieges.
Inzwischen sind zehn Jahre nach Kriegsende vergangen. Das Leben hat sich auch in der Bauerschaft Gröblingen wieder normalisiert. Die feste Straße ist über die Hesselbrücke hinaus weitergeführt worden. Evakuierte und Flüchtlinge finden allmählich neue Lebensbereiche. Die Technik zieht ein, und das Auto erobert die Straße. Im Warendofer Norden wird die Josefskirche gebaut.
Doch nach wie vor ist an jedem Mittwochmorgen in der Gröblinger Kapelle eine heilige Messe, an der die Schulkinder und eine kleine Schar Erwachsener teilnehmen. An acht Sonntagnachmittagen ist Christenlehre. Wenn auch der Geistliche nicht mehr mit Pferd und Kutsche abgeholt wird, so besteht doch noch die gute alte Sitte, dass er nach der Christenlehre zusammen mit der Lehrerfamilie auf einem Gröblinger Hof zu Gast ist. Auch die Sonntagsmesse findet noch statt, oftmals von einem Pater aus dem Franziskanerkloster zelebriert.
Die Gröblinger Kapelle in der Pfarrei St. Josef.
Am 17. Juni 1956 ist der Weihetag der Josefskirche. Die Bauerschaft Gröblingen und die Kapelle gehören nun zur Pfarrei St. Josef. Wieder ist es Hauptlehrer Karl Weyer, der sich für die Belange der Kapelle und damit auch für die neue Pfarre einsetzt. Er ist maßgeblich daran beteiligt, dass die Ländereien der Vikarie der Gröblinger Kapelle (die eigentliche Stiftung des Heinrich Kleine) der Josefspfarre überschrieben werden. Es ist in erster Linie der sogenannte Kapellenkamp, auf dem Anfang der sechziger Jahre die Siedlung an der Gallitzinstraße entsteht.
Da kündigt sich im Sommer 1958 ein besonderes Ereignis an. Die Mitglieder der weitverzweigten Familie Zurstraßen wollen sich im Oktober zu einem Sippentreffen in Warendorf einfinden. Die Bewohner Gröblingens fühlen sich dem Baron Louis Zurstraßen zu besonderem Dank verpflichtet und rüsten darum zu einem festlichen Empfang. Die Gäste aus Belgien, Dänemark und Deutschland treffen am Samstag, dem 25. Oktober 1958, in Warendorf ein und Verbringen den Nachmittag im engsten Kreis. Am Sonntagmorgen findet dann um 9 Uhr in der Gröblinger Kapelle ein festlicher Gottesdienst statt, den Pastor Joseph Zumhasch zelebriert. Reinhold Weyer, heute Musikprofessor in Bamberg, hat dafür mit der Landjugend eine deutsche Messe im Choralton von Heinrich Rohr eingeübt. Er begleitet den Gesang auf dem Harmonium. Die Mitglieder der Familie Zurstraßen und die Bewohner Gröblingens bilden an diesem Morgen eine echte Festgemeinde. Nach dem Gottesdienst versammelt sich ein Kreis geladener Gäste zur Frühstück im Lehrerhaus. Es sind zugegen: Baron Louis Zurstraßen, sein Bruder, mehrere Söhne, Dr. Lang, Professor Zurstraßen aus Frankfurt mit Gemahlin, andere Familienangehörige der Sippe aus Belgien, Unna und Warendorf, sowie Amtsdirektor Terwort aus
Sassenberg und Bürgermeister Gausepohl aus Gröblingen, insgesamt 21 Personen. Hauptlehrer Weyer überreicht dem Baron Louis Zurstraßen ein Gemälde von der Gröblinger Kapelle, gemalt von dem Borghorster Künstler Franz Heilmann.
Kopie der Widmung
Auf dem Gemälde der Gröblinger Kapelle ( gemalt in der Vorwoche von dem Borghorster Maler Franz Heilmann), das Herr Baron Louis Zurtstraßen nach dem Gottedienst in der Gröblinger Kapelle bei dem Frühstück im Lehrerhaus von Lehrer Weyer im Namen der Kapellengemeinde überreicht wurde.
Für alles, was in der Jahren 1954 bis 1958 mit der Gröblinger Kapelle geschehen ist, gebührt Hauptlehrer Karl Weyer und seiner Gattin Elisabeth Weyer, die bei allen Beratungen und Zusammenkünften ein offene und gastfreies Haus hatte, besonderer Dank. Es bedurfte sehr vieler Mühen, bis das Werk endlich gelungen war.
Die Verbundenheit der Gröblinger mit ihrer Kapelle hat sich auch in all den Jahren in der vorbildlichen Pflege und im Schmuck gezeigt. Zu-nächst hat Frau Elisabeth Schulenberg (Gastwirtsfrau in der Nähe der Kapelle) diesen Dienst versehen. Später wird er von Frau Sandkühler, von der Familie Lakeband und von Frau Hedwig Strickmann ausgeübt. Heute sorgt Frau Bernhardine Schulze Osthoff, geb. Lakeband, für Pflege und Blumenschmuck. Ihnen allen gebührt Dank und Anerkennung.
Die Gröblinger Kapelle heute.
Doch die Zeit eilt weiter. Die Flurbereinigung geht über die Bauerschaft dahin und prägt ein völlig neues Bild. Kapelle und Schule liegen nun an einer kleinen Nebenstraße. 1968 bringt die Schulreform das „Aus“ für die zweiklassige Gröblinger Schule. Das bedeutet auch das Ende für die Mittwochsmesse in der Kapelle wie überhaupt für die regelmäßigen Gottesdienste. Von Zeit zu zeit findet zunächst noch am Sonntag eine heilige Messe für die Insassen des Strafvollzugslagers Gröblingen statt, an der auch die umliegenden Anwohner teilnehmen.
1953 formiert sich die Schützenbruderschaft St. Hubertus Gröblingen-Verlsen. Sie fühlt sich der Gröblinger Kapelle besonders verbunden und will in Treue alte Tradition pflegen. Die Landjugend Gröblingen-Velsen tritt bewusst in diese Fußstapfen. In diesem Jahr feiert die Schützenbruderschaft ihr 25-jähriges Bestehen.
Auch für die Gröblinger Kapelle ist 1988 ein Jubiläumsjahr, besteht doch die kleine Rundkapelle des Heinrich Kleine am 15. August 300 Jahre. Da haben es sich die verantwortlichen Stelle nicht nehmen lassen, die „alte und neue Kapelle“ mit großer Umsicht und viel Mühe zu renovieren.
Am Montag, 9. Mai 1988, findet der erste Gottedienst in der neu gestalteten Kapelle statt. Mit großer Freude betreten die Besucher des kleine Gotteshaus. Hell leuchten die Wände, von farbigen Linien unterbrochen. Eine Stufe führt zum Chorraum, der jetzt als eine einheitliche Fläche erscheint. Zur Freude aller ist das alte Altarbild wieder in die größere Kapelle geholt worden. Nach einer sorgfältigen und gründlichen Restaurierung kündet es vom Sterben Mariens. Die Mitte des Chorraumes nimmt ein neuer Zelebrationsaltar aus Baumberger Sandstein ein, in den das Reliquiengrab des bisherigen Altares eingefügt wurde. Durch die Türnische geht es einige Stufe tiefer in die „alte Kapelle“. Dort findet man auf einer Stele die Statue der Gottesmutter mit Kind, die mir ihren leuchtenden Farben die Blicke der Besucher auf sich zeiht. Die alten, geschnitzten Eichenbänke von 1688 laden nach wie vor zum Gebet ein.
Die Kapelle ist an diesem Abend zur Bittprozession und zum Bittgottesdienst bis auf den letzten Platz besetzt. Es sind Besucher aus Gröblingen, Velsen und Warendorf. Die Priester der Josefsgemeinde, Diakon, Organistin und Küsterin ziehen mit den Gläubigen betend und singend an den Feldern entlang und feiern in der Kapelle den Bittgottesdienst. Wer sind die Gläubigen? Es sind zum großen Teil Menschen, die ein Leben lang harte Arbeit getan und die ihr Leben mit Gott gelebt haben. Wird die junge Generation ihnen folgen?
Nach dem Bittgottesdienst füllt sich die Kapelle von neuem mit jungen und alten Menschen zum Totengebet für eine Verstorbene. Es ist seit Jahren gute Sitte geworden, dieses Nachbarschaftsgebet, das ursprünglich in den Familien stattfand, in die Kapelle zu verlegen. Dadurch ist es möglich, den Kreis zu erweitern auf alle, die den Toten besonders nahe standen.
Gröblingen 1988! Die Bauerschaft bietet nach der Flurbereinigung ein sehr verändertes Bild. Auf den Bauernhöfen leben weit weniger Menschen, wird doch viel Arbeit von den Maschinen verrichtet. Der „Strukturwandel“ hat aber auch die Sorge um das Überleben der Höfe in die Häuser getragen. Wie kann und wird es weitergehen?
300 Jahre Gröblinger Kapelle! Ein kleines Gotteshaus in neuem Glanz! Tiefe Gläubigkeit hat es einst geschaffen. Durch die Jahrhunderte hindurch wurde es bis in unsere Tage gepflegt, restauriert und erhalten. Immer war es eine Stätte des Gebetes, der Besinnung und des Kraftschöpfens. Wie steht es heute damit? War es richtig, die hohen Kosten für seine Restaurierung aufzuwenden? Die Besucher der Fest-messe beim Schützenfest der Bruderschaft St. Hubertus Gröblingen-Velsen bejahen es, die Teilnehmer vieler Familiengottesdienste, die bei besonderen Anlässen in der Kapelle stattfinden, ebenso.
Herausgeber: Pfarrgemeinde St. Josef
Text: Katharina Uphoff, Warendorf
Federzeichnungen: Albert Reinker, Everswinkel
Quellen: Pfarrarchiv
Bezug: Pfarramt St. Josef, Holtrupstraße 5, 48231 Warendorf